EINLEITUNG oder die Bekenntnisse eines Süchtigen
Die jüngste Wirtschaftskrise - besser sollte es vielleicht heißen "Krise der vorherrschenden Wirtschaftsform"- hat es uns einmal mehr bewiesen: ein System wird so lange rücksichtslos ausgesaugt, bis es blutleer in sich zusammensackt. Ungeduld und Rücksichtslosigkeit, Gewinnmaximierung und Verbrauch werden zu erstrebenswerten Eigenschaften erkoren. Geduld, Meisterschaft, Erfahrung sowie Achtsamkeit gegenüber Mensch und Natur sind für eilige Emporkömmlinge hinderliche Werte.
Die Hifi- Szene macht da keine Ausnahme. Auch sie ist von einer Industrie unterwandert, die nicht das geringste Interesse daran hat, dass Menschen zufrieden Musik genießen können. Wir sollten viel mehr mit Designerprodukten abgespeist werden, deren klangliche Qualitäten nicht weit über der von Geräten aus einschlägigen Großmärkten liegen. Das Strickmuster ist sowieso das gleiche. Dafür bekommt man dann halbjährlich ein Upgrade um teures Geld- aber wer wird denn hier kleinlich sein- bei dem nun richtige "Referenzbauteile" den ursprünglichen Schrott ersetzen. Warum eigentlich nicht gleich?
Ein Blick in die einschlägigen Zeitschriften untermauert das:
- die Anzeigenteile der Magazine sind voll von gebrauchten, nicht mehr erwünschten Gerätschaften, die angeblich "beste Referenz" sind
- die einschlägigen Fachjournale liefern in jeder neuen Ausgabe wieder seitenlange Berichte über jede Menge Geräte, die so gut gewesen sein sollen, dass der Berichterstatter sie kaum noch zurücksenden wollte
Tja, liebe Freunde, hier werden wir voll bei unserem Spieltrieb erwischt. Wir wurden ja auch so erzogen. Statt die genial-einfachen Lösung, die oft schon seit Jahrzehnten bekannt ist, zu beherzigen, suchen wir den akustischen Müll, den unsere Kette produziert, durch immer weitere Wunderkästchen dem akustischen Nirwana näherzubringen, bis wir entnervt alles rausschmeißen und bestenfalls wieder von vorne beginnen. Schlechtesten Falls rinnt dann der vielzitierte französische Rotwein oder schottische Whisky ohne Musikbegleitung unsere Kehle hinunter.
So ein Glück, dass oben erwähnte Zeitschriften - aber auch schlaue Internetdienste - unseren Abfall wohlwollend aufnehmen. Denn auch das ist ein Geschäft.
Wo bleiben eigentlich die im demokratischsten Staat der Welt so beliebten Selbsthilfegruppen in denen wir - unter Gleichgesinnten - dann mal so richtig aus uns rausgehen könnten, unserem Frust und unseren Tränen freien Lauf lassen könnten, unseren Hass hinaus brüllen könnten?
Dadurch oder vielleicht auch durch eine jahrelange Psychotherapie geläutert spüren wir dann wieder den wichtigen Dingen im Leben nach. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es mancherorts wirkliche Enthusiasten gibt, die jahrzehntelang geforscht und probiert haben, um Musikanlagen aufzubauen, die diesen Namen wirklich verdienen. Die innovative Lösungen gefunden haben, die dazu angetan sind, wirkliche HiFi-Klassiker zu werden. Und vergessen wir doch den Rest, der nichts anderes macht als diese Errungenschaften bis zum Koterbrechen zu kopieren und um teures Geld den Suchenden an die Nase zu binden.
Letztlich ist das einzige Kriterium das: wo können wir Süchtige es uns bequem machen und, ohne über technische Details nachdenken zu müssen, uns einfach Stück um Stück, Stunde um Stunde Musik reinziehen, ohne dass es uns dabei die Ohren einrollt.
Prinzipiell ist es eine Utopie, dass eine Stereoanlage ein Musikstück wiedergibt, als säße man im Konzertsaal direkt vor den Menschen, die auf ihren Instrumenten ein solches Musikstück gerade hervorbringen. Die Natur ist nicht kopierbar.
Möglich ist es allerdings, seine Musikanlage so zu optimieren, dass eine neue Art von Musikgenuss entsteht, die sich durchaus in ihren Kriterien an die natürliche Musikdarbietung anlehnt. Diesem Ideal können sich Entwickler verschreiben und ihr Handwerk und ihre Kunst zurechtschleifen, bis sie dieses Ziel erreicht haben. Aber wie in allen Künsten gibt es auch in dieser Sparte nur wenige, die Meisterschaft erlangen. Da liegt die Herausforderung an den HighEnd-er: diese wirklichen Meisterwerke zu finden und sie zum Ausgangspunkt seiner persönlichen Anlage zu machen.
Geschmäcker sind verschieden, unterliegen auch einer persönlichen Entwicklung. So muss mir nicht gefallen, was dir gefällt. Was ich aber immer honorieren werde ist, wenn jemand die Herausforderung annimmt und konsequent ein Konzept verfolgt, das er einmal als richtig erkannt hat. Dass er viele Freizeitstunden für ein Feintuning investiert hat, seine Musikanlage ausgereizt hat. Ohne diese Knochenarbeit, wage ich zu behaupten, hat man keine Ahnung welche Schätze man unter Umständen wirklich zu Hause stehen hat. Und da lautet mein Konzept: je einfacher desto besser. Ja und natürlich noch: vergiss Messwerte, das Ohr entscheidet!